Martin
8. Mai 2019
(Aktualisiert: 9. Dezember 2025)

11 Fragen: Sollte ich Lehrer im Quereinstieg werden?

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Martin schreibt über seine Erfahrungen als Lehrer als Quereinsteiger. Sein Traum platzte schnell:

Vor anderthalb Jahren hatte ich die Schnauze voll von der Informatik. Jeden Tag acht Stunden vor dem Rechner sitzen schlägt irgendwann aufs Gemüt. Leider ist es in Deutschland schwer, einfach mal so den Job zu wechseln, überall braucht man Zertifikate, Abschlüsse und Zeugnisse. Oder man gibt sich mit einem für Informatikerverhältnisse unterirdischen Gehalt zufrieden.

Ironischerweise ist "Lehrer im Quereinstieg" einer der wenigen seriösen Berufe, die man ohne große Umschulung ergreifen kann, wenn man sich als Akademiker noch mal umorientieren möchte. Und so habe ich das eben auch probiert, als Lehrer im Quereinstieg an einer kleinen Grundschule in der Nähe.

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Wie ich scheiterte: Lehrer im Quereinstieg

Lehrer im Quereinstieg: 11 Fragen die man sich vor der Umschulung stellen sollte. Ist man wirklich bereit dafür? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer im Quereinstieg: 11 Fragen die man sich vor der Umschulung stellen sollte.

Nun, bei mir hat der Traum vom neuen Job nicht lange gehalten. Es hätte was werden können, leider meinte mein Arbeitgeber, mich gehaltsmäßig austricksen zu müssen, ein echter Arbeitgeber from Hell! Und da zieh ich dann die rote Linie.

Über die Details möchte ich mich hier nicht weiter äußern, immerhin ist die Geschichte erst vor ein paar Wochen vor dem Arbeitsgericht zu Ende gegangen. Ich möchte keine schlafenden Hunde wecken. Aber, wie ich bei dem bezaubernden Film "Triff die Robinsons" gelernt habe, kann man immer etwas lernen, wenn man scheitert. Und deshalb habe ich alles, was ich gelernt habe, aufgeschrieben und möchte euch in diesem und einem weiteren Artikel auf Mamaskind an meinem Lernprozess teilhaben lassen.

Heute soll es um Dinge gehen, die man für sich klären sollte, wenn man mit einem Quereinstieg als Lehrer liebäugelt. Über kaum einen anderen Beruf existieren so viele Mythen und falsche Vorstellungen wie über das Lehramt. Zeit, ein wenig aufzuräumen. Also, bevor ihr euch alle fröhlich als Lehrer bewerbt, solltet ihr folgende Fragen mit "JA" beantworten können: 

Bin ich ein "Leute"-Mensch? 

Angehender Lehrer: Kann ich Verantwortung für Kinder übernehmen? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Angehender Lehrer: Kann ich Verantwortung für Kinder übernehmen?

Das ist bei weitem – noch vor aller fachlicher Kompetenz – die wichtigste Voraussetzung. Lehrer sein heißt, mindestens sechs Stunden am Tag von bergeweise Menschen umgeben zu sein. Wer also nach dem Gruppenmeeting im Büro eine längere Pause auf der stillen Treppe braucht, wer Gehaltsverhandlungen für subtile Folter hält und wer vor angedrohten Team-Events schon mal vorsorglich kündigt, der ist als Lehrer ungeeignet. Punkt. Macht euch da keine Illusionen, sorry. Wenn ihr unsicher seid, empfehle ich dringend ein Praktikum. So etwas lässt sich sicher arrangieren.

Kann ich mich durchsetzen? 

Die zweite wichtige Eigenschaft, ohne die gar nichts geht. Die Schule als Tempel des Wissens, in dem die Schüler gebannt an den Lippen des Lehrers hängen und gierig – und vor allem still – den Lernstoff aufsaugen, das gab es noch nie, nicht mal bei Heinz Rühmann. Macht euch darauf gefasst, nervenmäßig an das absolute Limit gebracht zu werden.

Löwenbändiger, Bombenentschärfer oder Drahtseilakrobaten haben Vorteile als angehende Lehrer.

Martin
Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mich durchsetzen? Helfen nur Drohungen bei Kindern weiter? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mich durchsetzen?

Denn Schüler, insbesondere an einer Grundschule, wollen erstmal genau wissen, wie du so drauf bist. Sie probieren also alle Gemeinheiten aus, die ihnen einfallen. Und wenn du da, gleich am Anfang, kein Durchsetzungsvermögen hast, bist du am Arsch. Die Kinder werden dir auf der Nase herumtanzen. Hier ist im Vorteil, wer Nerven wie Drahtseile hat oder einschlägige Vorbildung aus dem früheren Beruf – ich denke da an Löwenbändiger, Bombenentschärfer oder Drahtseilakrobaten – vorweisen kann.  

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Leider ist es auch so, dass viele Lehrer mit Druck und Drohungen arbeiten, um die Disziplin in der Klasse zu halten. Ich hatte immer die naive Vorstellung, auch mit Begeisterung könne man die Schüler zur Mitarbeit bewegen, aber das ist wohl kaum zu schaffen. Einerseits erfordert es großen Aufwand, die Stunde entsprechend zu gestalten. Andererseits sind die Schüler von den anderen Lehrern oft den Druck gewöhnt und sind irritiert (will sagen, sie spielen verrückt), wenn man ohne Druck arbeitet. 

Wie ich Lehrer wurde - Martin beschreibt seinen Weg vom Programmierer zum Lehrer. | Mehr Infos über den Werdegang als Quereinsteiger als Lehrer auf Mamaskind.
Wie ich Lehrer wurde - Martin beschreibt seinen Weg vom Programmierer zum Lehrer.

Bin ich rein formal für den Lehrerjob geeignet? 

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, die Regeln sind eher fließend. Eigentlich muss man studiert haben. Vielerorts ist die Not aber bereits so groß, dass auch eine einfache Berufsausbildung reicht. Man sollte nicht vorbestraft sein (ich musste ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen!).

Ach und irgendwie sollte man auch ein bisschen Spaß am Erklären haben und etwas vom Fach verstehen. Glaubt man die Anforderungen zu erfüllen, sollte man trotzdem nochmal genau nachfragen. Manche Details sind sehr subtil und werden nicht öffentlich genannt. Beispielsweise sollte man im Land Brandenburg möglichst ein Fach studiert haben, welches auch an der Schule unterrichtet wird. Sonst ist man – Achtung, Ironie – eine ungelernte Lehrkraft. Der Unterschied: man darf alles machen, was auch die normalen Lehrer machen, nur bekommt man noch weniger Geld. 

Kann ich 50 bis 60 Stunden pro Woche dem Job widmen, auch am Wochenende? 

Überstunden: 50 - 60 h als Lehrer im Quereinstieg: bin ich bereit dafür? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Überstunden: 50 - 60 h als Lehrer im Quereinstieg: bin ich bereit dafür?

Das Lehrer viel Zeit haben, ist ein Mythos. Sicher, nach zehn, fünfzehn Jahren Berufserfahrung kann man Stunden mit meinem Minimum an Vorbereitung halten. Trotzdem wird man im Allgemeinen mindestens eine 40-Stunden-Woche haben. Zwar ist man nur 27 Stunden im Unterricht, aber es gibt noch soo viel drumherum. Am Anfang ist eher mit 50 bis 60 Stunden zu rechnen.

Das kommt auch stark auf das Fach an. Manche Fächer, wie z.B. Mathematik, sind recht einfach vorzubereiten. Du überlegst, was laut Plan dran wär, denkst dir ein paar gute Erklärungen aus, suchst im Lehrbuch Aufgaben zusammen und bist fertig.

Physik ist da schon viel schwieriger. Experimente müssen erdacht und ausprobiert werden. Tafelbilder und Präsentationen wollen erstellt werden. Das verschlingt viel Zeit. Während ich für eine Mathestunde etwa 30 Minuten Vorbereitung gebraucht habe, waren es für eine Physikstunde mindestens zwei Stunden.

 

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Aber die Vorbereitung ist nicht alles. Es gilt, Arbeiten zu kontrollieren, Dienstberatungen und Weiterbildungen zu absolvieren und Ämter in der Schule zu übernehmen. Ich habe an einem Punkt in meiner kurzen Lehrerkarriere drei Wochen am Stück - vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen – durchgearbeitet, um alles zu schaffen.

Was besonders fies ist: freie Sonntage könnt ihr euch abschminken. "Der Samstag ist der Sonntag für Lehrer!", hieß es immer. Denn die Schulwoche will vorbereitet sein. Am Freitag ist man zu fertig dafür und hat außerdem Montags schon wieder alles vergessen. Samstag will man sich erholen, bleibt nur der Sonntag. 

Oft weisen die Leute neidisch darauf hin, wieviel "Urlaub" so ein Lehrer doch hat. Das ist Bullshit. Klar, muss man insgesamt zwölf Wochen im Jahr nicht in die Schule. Aber davon gehen dann wieder Zeiten ab, in denen die Klassenarbeiten kontrolliert werden müssen, die man vor den Ferien geschrieben hat. Oder es finden Weiterbildungen statt. Und letztlich ist das Lehrerdasein auch mit viel Stress verbunden.

Zwei Wochen Weihnachtsferien reichen da kaum zum runterkommen. Dazu kommen die angesprochenen Sonntage, die man auch nicht wirklich frei hat. Summa summarum gleicht sich das dann wieder aus. Und natürlich darf man sich nicht aussuchen, wann man Urlaub macht. 

Bin ich bereit, zu lernen und noch mal komplett neu anzufangen? 

Lehrer werden? Bin ich bereit, viel Neues zu lernen und neu anzufangen? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer werden? Bin ich bereit, viel Neues zu lernen und neu anzufangen?

Guter Unterricht ist von vielen Faktoren abhängig. Niemand stellt sich einfach so vor eine Klasse und ist ein toller Lehrer. Aber man kann das lernen. Pädagogik ist ein Handwerk, allerdings eines, das intensiver Übung bedarf. Der Blick ins Klassengeschehen will geübt sein. Wo entstehen Unruheherde? Haben die Kinder meine Erklärung verstanden? Nein? Dann muss ich ganz schnell improvisieren.

Was stelle ich mit den Overachievern an, was mit den Nachzüglern? Wie halte ich die ADHS-Fraktion im Zaum? In der Unterrichtssituation passieren hundert Dinge gleichzeitig. Das kann man anfangs gar nicht alles überblicken. Aber es macht Spaß, sich auszuprobieren und diese Fähigkeiten zu lernen. Nach 12 Wochen Mathe mit der 5a sehe ich dem nächsten Teammeeting mit großer Gelassenheit entgegen.

Bin ich bereit, die umfassende Verantwortung für eine Gruppe fremder Kinder zu übernehmen? 

Angehender Lehrer: Kann ich Verantwortung für Kinder übernehmen? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Angehender Lehrer: Kann ich Verantwortung für Kinder übernehmen?

Als Lehrer hat man die Fürsorgepflicht für jeden Schüler in der Klasse. Klingt unspektakulär, hat aber profunde Konsequenzen.

  • Ein Schüler fällt beim Kippeln mit dem Stuhl um, verletzt sich und trägt bleibende Schäden davon? - Da kann man dann als Lehrer zahlen.
  • Ein Schüler verletzt sich im Klassenraum? - Die Arztrechnung bezahlt der Lehrer.
  • Ein Schüler kifft sich auf Klassenfahrt in Holland die Birne weg? - Das könnte Knast für den Lehrer geben.

Als Lehrer ist man für die Sicherheit der Schüler vollumfänglich verantwortlich. Man hat auf so vieles zu achten, dass man gar nicht verhindern kann, dass doch mal was passiert. Uns Quereinsteigern wurde DRINGEND zu einer Berufshaftpflicht- und einer Rechtschutzversicherung geraten. Sonst wäre der erste Unfall unser Ruin. Und wo wir gerade dabei sind: eine Schlüsselversicherung ist eine gute Idee, weil ein verlorener Schlüssel in einem Schließsystem bedeutet, dass alle Schlösser ausgetauscht werden müssen. Und davon gibt es an einer Schule VIELE. 

Bin ich bereit, nicht nur Lehrer, sondern auch Erzieher und Ersatzvater oder –mutter zu sein? 

Lehrer in Ausbildung: Bin ich bereit, Ersatzelternteil zu sein? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer in Ausbildung: Bin ich bereit, Ersatzelternteil zu sein?

Lehrer müssen immer auch Erziehungsarbeit leisten – vor allem in den unteren Klassen. Leider sehen sich viele Eltern heute nicht mehr imstande, ihren Kindern die grundlegenden Regeln gesellschaftlichen Miteinanders beizubringen.

Vielleicht haben sie auch nur kein Bock auf den Stress, ich weiß es nicht. Und ja, ich weiß, ich höre mich hier spießig an. Ich bin ja auch dafür, dass sich Kinder ausprobieren und frei entfalten können. Aber bitte zu Hause und nicht auf Kosten meiner Nerven.

Fakt ist, dass der "Erziehungsanteil" im regulären Unterricht in den letzten Jahren zugenommen hat. Das bestätigen mir ältere Lehrer immer wieder. Und manchmal werden Kinder auch vernachlässigt, mit der Konsequenz, dass sie sich andere Vorbilder und Vertrauenspersonen suchen. Als Lehrer bekommt man ungewollt Einblick in die Abgründe der menschlichen Natur. Auch das muss man aushalten. 

Bin ich bereit, auch mal harte Entscheidungen zu treffen? 

Kann man allen Kindern überhaupt gerecht werden? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Kann man allen Kindern überhaupt gerecht werden?

Die Benotung war für mich immer das schwierigste Thema, noch vor der Disziplin. Denn hier musste ich manchmal kleine Kinderseelen arg enttäuschen. Für die kleinen Mistkerle und die Hyperintelligenten war das weniger ein Problem, aber manchmal steht ein kleines Mäuschen vor dir und du weißt, sie hat sich jetzt gerade ganz enorm angestrengt und hat für ihre Verhältnisse wirklich etwas geleistet. Und trotzdem kannst du nur eine vier geben, alles andere wäre unfair den anderen Schülern gegenüber.

Das kann dann richtig hart sein. Ich habe ja schon im letzten Artikel geschrieben, dass ich Noten für kein gutes System der Leistungserfassung halte. Wenn es nach mir ginge, ich würde die Noten komplett abschaffen. Das würde viel Druck rausnehmen und die Schüler mit mehr Freude lernen lassen. Keine Ahnung ob das funktioniert, aber man darf ja träumen.

Komme ich mit wenig Geld aus und bin ich bereit, in meinen neuen Beruf zu investieren? 

Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mit wenig Geld auskommen? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mit wenig Geld auskommen?

Lehrer arbeiten im öffentlichen Dienst, manchmal auch im Beamtenverhältnis. Letzteres ist für Quereinsteiger mit vielen Hürden verbunden, so dass am Anfang für alle wohl erstmal der Tarifvertrag der Länder als Gehaltsgrundlage greift.

Man könnte meinen, der Staat braucht Quereinsteiger gar nicht so sehr.

Martin

Die Einstufung und das damit verbundene Gehalt ist Ländersache, aber allgemein nicht allzu viel. Gehaltsverhandlungen gibt es nicht, man wird nach Länge der Betriebszugehörigkeit hochgestuft. Als Quereinsteiger fängt man ganz unten auf dem Lohntreppchen an. Mit einem befristeten Vertrag. Der zu Beginn der Sommerferien endet. Der nächste Vertrag beginnt dann mit dem Start des nächsten Schuljahres. Ganz richtig, da ist dann eine Lücke von sechs Wochen, in denen man arbeitslos ist. Das ist nicht überall so, aber ich kenne Fälle, da ist genau das passiert. Man könnte meinen, der Staat braucht die Quereinsteiger gar nicht so sehr.  

Das ist aber immer noch nicht alles. Es fallen Ausgaben an. Auf jeden Fall ist die schon erwähnte Rechtschutzversicherung nötig, am besten gleich noch mit Berufsunfähigkeitsversicherung (falls die Nerven schlapp machen) und Schlüsselversicherung (gegen eigene Doofheit). 

Darüber hinaus gibt es an vielen Schulen kein Budget für Neuerwerbungen. Man kann froh sein, dass man kostenlos kopieren darf. Viele Lehrer greifen daher in die eigene Tasche und kaufen Bücher, Lehrmaterial, Spiele, Filme und vieles mehr selbst. Ich kenne Lehrer, die haben mehrere tausend Euro in die Ausstattung ihrer Klassenzimmer investiert. Bei mir waren es etwas 200 € für Lehrmaterial und Bücher - in 12 Wochen.

Kann ich nach Anweisung arbeiten und gegebenenfalls meine eigenen Interessen unterordnen? 

Manche schaffen alles. Wir arbeiten daran, das Wichtigste zu wuppen: Kinder, Job & Freizeit | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Manche schaffen alles. Wir arbeiten daran, das Wichtigste zu wuppen: Kinder, Job & Freizeit

Als ich den Schuldienst antrat, hatte ich die Vision, die Schüler begeistern zu können. Ich hatte mich an meine Schulzeit erinnert und mir war klar geworden, dass viele Lehrer mir den Spaß am Fach gründlich verdorben haben.

Daher war mein Ansatz: Zeige den Schülern, dass sie in der Lage sind, auch die komplizierteren Sachverhalte zu lernen. Ich habe dafür sehr wohlwollend benotet, habe die Unterrichtsstunden zum „Sandkasten“ erklärt, in dem nach Herzenslust geübt und vor allem gescheitert werden darf. Den Schülern habe ich erklärt, dass es völlig ok ist, mal was falsch zu haben und dass es absolut unfair ist, andere für ihre Fehler zu beschämen. Ich habe versucht, ohne Notendruck zu unterrichten.

Mit diesen Methoden habe ich auch teilweise Erfolge erzielt. Es gab aber Probleme. Beispielsweise wird eine gewisse Mindestanzahl an Noten gefordert, um eine Zeugnisnote bilden zu können. Verständlich, aber das hieße mindestens eine Note pro Schüler alle zwei Wochen. „Ohne Notendruck“ unterrichten klingt anders.

Auch an meinem Unterrichtsstil gab es Kritik. Ich würde zu viel Freiraum lassen, zu kompliziert unterrichten. Die Kinder würden mich gar nicht verstehen. Da hatte ich einen anderen Eindruck. Auf jeden Fall ist man als Lehrer an den Rahmenlehrplan gebunden. Das, was da drinsteht, muss man unterrichten, auf die Weise, die der Plan, bzw. das Lehrbuch vorgibt. Ob man das will, oder nicht. 

Bin ich als Mann bereit, in einem weiblich dominierten Beruf zu arbeiten? 

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Zeit für Kinder trotz Arbeit: Unser Traum

Das sollte heute eigentlich keine Frage mehr sein. Trotzdem, wenn man, wie ich, als Mann an einer Grundschule arbeiten will, muss man damit rechnen, der einzige Mann in einem reinen Frauenkollegium zu sein. Das führt zu vielen witzigen Situationen, etwa wenn man die Damen auf dem Männerklo überrascht.

Und mehr als einmal musste ich auch angestrengt weghören, ihr glaubt ja gar nicht, über was Frauen sich so alles unterhalten, wenn sie denken, dass sie niemand hört. Ich persönlich hatte kein Problem mit den Kolleginnen, im Gegenteil, ich habe mich überaus aufgehoben und bemuttert gefühlt. Ich kann mir aber vorstellen, dass es durchaus Männer gibt, die lieber in einem testosteronöseren Umfeld arbeiten wollen. 

Lehrer im Quereinstieg - 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer wird. Ist man wirklich bereit für diesen fordernden Beruf? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer im Quereinstieg - 11 Fragen die man sich stellen sollte.

Fazit 

Wenn ihr beim Lesen hier angekommen seid, habt ihr meinen Respekt. Es ist euch wohl wirklich ernst mit dem Lehrerjob. Und ihr scheint auch den Idealismus mitzubringen, der nötig ist, um dem Staat aus der durch verfehlte Bildungspolitik selbst fabrizierten Patsche zu helfen.  

Und vielleicht seid ihr ein wenig desillusioniert, weil hier so viel Negatives steht. Der Lehrerberuf hat aber auch gute Seiten. Das Hochgefühl, wenn die Kinder verstanden haben, was du ihnen beibringen willst, ist etwas ganz Besonderes. Es gibt immer wieder Momente, die dein Herz aufgehen lassen. Insgesamt ist der Lehrerberuf zwar hart, aber auch lohnenswert. Ich fand nur, dass zu oft der Blick auf die negativen Aspekte zu kurz kommt, eben weil es so viele realitätsferne Ansichten über diesen Beruf gibt.

Vielleicht hätte es bei mir auch funktioniert. Letztlich waren es externe Ursachen und nicht der Unterricht selbst, warum ich wieder gegangen bin. Im Zweifel kann ich nur raten: seht die Sache als Experiment. Sucht euch eine hübsche Schule mit netten Lehrern und vor allem einer Schulleitung, die dem Thema Quereinstieg offen gegenüber steht.  Macht ein Praktikum, wenn ihr nicht sicher seid. Wenn die Sache am Ende doch nichts wird, habt ihr gegenüber den "normalen" Lehrern ein Ass im Ärmel: ihr habt schon einen anderen Beruf, in den ihr wieder zurückkehren könnt. In diesem Sinne: viel Erfolg!

40 Tipps für Quereinsteiger: Lehrer

Hier habe ich einen Haufen Tipps zusammengetragen, für alle, die so ein Projekt ernsthaft angehen wollen. Also, ohne weitere Umschweife geht es los. 

An welcher Schule möchte ich arbeiten?

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Ein Klassenzimmer in einer Grundschule.

Bevor ihr euch bewerbt, solltet ihr euch ein paar Gedanken machen, wohin genau es hingehen soll:

  1. Überlegt euch, welche Schulform es sein soll. Grundschullehrer werden am meisten gesucht, weil die Lehramtsstudenten ganz richtig erkannt haben, dass man dort – verglichen mit Gymnasien - großen Stress und das geringste Gehalt hat. Wer gerne mit kleineren Kindern arbeitet, findet hier aber vielleicht seine Berufung. Oberschulen der verschiedensten Couleur sind noch eine Stufe härter, weil die guten Schüler ans Gymnasium gegangen sind und man es mit dem unmotivierten Rest zu tun hat. Meine Meinung, kann auch anders sein. Ans Gymnasium darf man als Quereinsteiger nicht, jedenfalls hier in Brandenburg. Interessant klingt auch die Berufsschule. Hier hat man als Lehrer über die Betriebe gute Druckmittel in der Hand. Wenn der Schüler keinen Bock hat, reicht ein Anruf beim Arbeitgeber und er ist raus. Trotzdem arbeitet man mit halbstarken Jugendlichen. Eine gewisse Ausstrahlung und natürliche Autorität sollten vorhanden sein. 
  2. GANZ WICHTIG: prüft, ob ihr alle Voraussetzungen erfüllt. Manche Kriterien werden nicht öffentlich kommuniziert. Insbesondere solltet ihr ein Fach studiert haben, das auch an eurer Wunschschule unterrichtet wird (genauer: das auch ein Lehramtstudent im Nebenfach belegt hätte, wenn er später an dieser Schule unterrichten will). Sonst kann das Ärger geben. Glaubt mir, ich hab es durch. 
  3. Weiterhin muss man sich zwischen privaten und staatlichen Schulen entscheiden. Erstere sind nicht ganz so strengen Regeln unterworfen, wie die staatlichen Schulen und daher vielleicht für den einen oder anderen Nonkonformisten eine gute Wahl. Waldorfschulen, demokratische Schulen, und wer es mag, kirchliche Einrichtungen sind dann einen Blick wert. 
  4. Die Schulgröße: Ich würde für den Anfang zu einer eher kleinen Schule raten. Man hat die Namen der Schüler und Kollegen schneller drauf, das Gewusel ist nicht ganz so krass und die Tätigkeit ist abwechslungsreicher. Natürlich darf man bei Krankheit dann auch schon mal ungewohnte Fächer unterrichten. Eine große Schule hat den Vorteil, dass man mit großer Wahrscheinlichkeit nicht DER Mathelehrer oder DER Physiklehrer ist und Kollegen hat, bei denen man abgucken kann. Das hilft ganz enorm. 
  5. Ich würde auch jedem davon abraten, gleich zu Anfang eine Klasse als Klassenlehrer zu übernehmen. Also, falls sich das vermeiden lässt. Da hat man dann noch viel mehr Arbeit. Die Fachlehrer geben nämlich gern Probleme in der Klasse an die Klassenlehrer weiter, die sich dann darum kümmern dürfen. Außerdem muss man noch Elternabende, Wandertage, Exkursionen und Klassenfahrten durchführen. Das würde ich mir für den Anfang nicht ans Bein binden. 

Ausstattung für Lehrer im Quereinstieg

Wie ich Lehrer wurde - Martin beschreibt seinen Weg vom Programmierer zum Lehrer. | Mehr Infos über den Werdegang als Quereinsteiger als Lehrer auf Mamaskind.
Wie ich Lehrer wurde - Martin beschreibt seinen Weg vom Programmierer zum Lehrer.

Gut, eine Schule ist gefunden, der Vertrag unterschrieben, der erste Schultag rückt näher. Mit der richtigen Ausstattung wird es einfacher: 

  1. Die Lehrbücher gibt es meist von der Schule (allerdings nur geliehen, alles andere wäre viel zu teuer für den Staat). Meist gibt der Verlag noch zum Lehrbuch passende Übungshefte und Lehrerausgaben heraus. Letztere haben mich in Mathe mehrfach vor der Zwangsjacke und harten Drogen bewahrt, denn sie enthalten die Lösungen und sparen enorm viel Zeit. Manche dieser Zusatzbücher sind nur direkt bei den Verlagen unter Vorlage einer Bescheinigung (mit Schulstempel) zu bekommen. Das ist zwar alles teuer und u.U. schwer zu beschaffen, aber gerade am Anfang Gold wert! 
  2. Ein Computer ist schlicht notwendig. Eine Internetverbindung auch. Ohne wird das Ganze keinen Spaß machen, auch weil viele Prozesse (Notenbücher, Zeugnisdruck, usw.) heute schon digital abgewickelt werden (ja, wirklich!). Die Schulen halten zwar manchmal Lehrercomputer vor, aber die sind, nun ja, alt (obwohl ich die Kugelmäuse und Röhrenmonitore ja mag). 
  3. Wichtigste Software ist MS Office. Kein Open Office, keine andere Office-Variante. MS Office ist das Standardaustauschformat an den Schulen. Glaubt mir, als Informatiker stellen sich mir die Nackenhaare auf, während ich diese Zeilen schreibe, aber es ist aus meiner Sicht notwendig. Übrigens: Microsoft macht groß Werbung für Office 365, das nur im Abo zu bekommen ist. Es gibt aber weiterhin die reguläre Office-Version zu kaufen, die man nur einmal bezahlen muss. Die hat dann immer eine Jahreszahl hinten dran. Die Home & Student-Version reicht. Es gibt auch Gebraucht-Lizenzen für ganz billig, aber da möchte ich meine Hand nicht für ins Feuer legen.
    1. Microsoft Office Home & Student
  4. Besorgt euch gute Stifte. Fineliner in Bunt (Rot, Grün, Schwarz und Blau sind Pflicht) funktionieren am besten. Für manche Fächer sinnvoll sind auch Zirkel, Lineal und Geodreieck, falls das mal jemand vergessen haben sollte.
    1. Fineliner *
    2. Schnellverstellzirkel *
  5. Es gibt spezielle Planer für Lehrer. Die sind supercool, weil hinten auch gleich noch Bereiche für die Noten drin sind (die kommen heute nicht mehr ins Klassenbuch – vermutlich wegen Datenschutz). Ich hatte dieses Exemplar und war sehr zufrieden damit.
    1. Lehrerkalender
  6. Auch sehr praktisch ist eine "Ordnungsmappe". In den einzelnen Fächern lässt sich alles für ein Unterrichtsfach verstauen und man hat alles schnell gefunden. Gerade am Anfang solltet ihr die vorbereiteten Stunden für die nächsten Tage immer mit dabei haben. Oft ändert sich kurzfristig etwas am Stundenplan, oder man hat Detailfragen an die Kollegen.
    1. Ordnungsmappe *
  7. Für die ersten Wochen empfehle ich dann, alle anderen Termine abzusagen. Arbeiten, Schlafen, Arbeiten und so weiter. Ist durchzuhalten, aber nur, wenn man auf sich achtet. 

Sicheres Auftreten als Lehrer im Quereinstieg

Quereinstieg: Kann ich Schüler mit unterschiedlichem Wissensstand gleichzeitig fördern? | 11 Fragen die man sich stellen sollte, bevor man Lehrer im Quereinstieg wird. Mehr Infos auf Mamaskind.de
Quereinstieg: Kann ich Schüler mit unterschiedlichem Wissensstand gleichzeitig fördern?

Dann ist es soweit und man steht vor den Schülern. Die erste Stunde wird vielleicht noch ganz nett, alle sind aufgeregt, man kennt sich noch nicht, und schaut erstmal. Bald haben die Kinder aber den ersten Schock überwunden und testen dich aus. Wo sind deine Grenzen, wo tickst du aus, wie kann man dich am besten auf die Palme bringen? Das sind wichtige Fragen, die die Kinder gleich zu Anfang klären wollen. Da heißt es Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Es gibt aber kleine, subtile Dinge, die man tun kann, um dem Problem „Disziplin“ Herr zu werden: 

  1. Am Anfang der Stunde wartet man, bis absolute Ruhe herrscht. Erst wenn alle Schüler aufmerksam nach vorne schauen, wird begrüßt und die Stunde begonnen – und wenn das 10 Minuten dauert. Man muss dann nicht still vorne stehen und warten, sondern kann die störenden Schüler direkt mit Namen ansprechen. 
  2. Das führt gleich zum nächsten Punkt. Ganz wichtig: lernt die Namen der Schüler möglichst schnell auswendig. „Du da in der vorletzten Reihe mit dem weißen Pulli, bitte sei leise!“ wirkt bei weitem nicht so gut wie „Jerome-Günter, sei still, Augen nach vorn!“ 
  3. Wenn ihr etwas von der Klasse wollt, sagt es klar und deutlich. Schlecht: „Ihr könntet ja vielleicht mitschreiben…“ Gut: „Die blauen Hefter auf, Datum und Überschrift rein und dann übernehmt bitte das Tafelbild!“ (Trotzdem wird es dann immer noch Nachfragen geben, da kann man sich drauf verlassen.)
  4. Die eigene Erscheinung ist maßgeblich für die Autorität die man ausstrahlt. Ordentliche Klamotten, gepflegte Erscheinung, gerade Statur und stabiler Stand sind die Grundlage dafür, sich bei den Schülern durchsetzen zu können. Klingt blöde, ist aber so. Man wird als Lehrer genau beobachtet. Ich wurde wegen meiner grünen Hosen ausgefragt, warum ich Druckschrift benutze und warum ich gelegentlich berlinere. 
  5. Für den Anfang kann ein gutes Deo in der Tasche ein Lebensretter sein. Angstschweiß ist eine üble Sache. 
  6. Die „Kumpel-Strategie“ funktioniert (nach eigener, schmerzhafter Erfahrung) nicht. Wer der Freund der Schüler sein will, verliert ihren Respekt und hat in Punkto Disziplin verloren. Es ist wichtig, einen gewissen emotionalen Abstand zu den Schülern zu wahren. Wenn man sich zurückerinnert, waren es auch immer die Lehrer, die streng aber gerecht waren, die den besten Unterricht gemacht haben. 
  7. Abwechslung ist Trumpf. Wenn man den Unterricht immer auf die gleiche Weise durchexerziert, langweilen sich die Kinder schnell. Daher sollte man öfter mal was Neues machen. Es gibt gute Bücher zu diesem Thema (Stichwort: "Unterrichtsmethoden"), allerdings sind solche Sachen in der Praxis schwer umzusetzen, denn der Teufel steckt im Detail. Mit anderen Worten: Arbeitsblätter aus dem Internet sind eine feine Sache, sollten aber höchstens 10% vom Unterricht ausmachen. 
  8. Ab und zu mal ein Witz ist hilfreich, Rumalberei und ein Gag nach dem anderen versaut die Disziplin. Die Kinder schaukeln sich dann auf und bald ist die Klasse außer Rand und Band. 
  9. Manche Kinder versuchen zu provozieren, indem sie blöde Antworten geben, in der Hoffnung ihr tickt aus. Sowas kann man gut durch schlagfertige Antworten kontern. Vielleicht enthielt die Antwort ja ein Körnchen Wahrheit. Dann greift das auf und ignoriert den Rest. Manchmal funktioniert es auch, auf den Witz einzugehen und ernsthaft über die Antwort zu diskutieren. Wenn gar nichts weiter geht, ist komplett ignorieren auch eine Möglichkeit. 
  10. Schreien ist keine gute Methode, um Ruhe in die Klasse zu bringen. Wieso sollten die Kinder leise sein, wenn ihr rumbrüllen dürft? Das ist ungerecht, oder? Eine Klasse in den Griff zu bekommen, ist durch einmal wütend werden auch nicht getan. Das ist ein langer Prozess, an dem manchmal die besten Lehrer verzweifeln. Nicht umsonst legen sich manche Lehrer ganz gezielt den Ruf eines harten Hundes zu. 
  11. Wenn gar nichts anderes hilft: lasst alle aufstehen und sich hinter den Stuhl stellen. Bis absolute Ruhe ist. Das kann eine Weile dauern. Aber es hilft. 

Was Lehrern im Quereinstieg noch helfen kann

Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mich durchsetzen? Helfen nur Drohungen bei Kindern weiter? | Mehr Infos auf Mamaskind.de
Lehrer im Quereinstieg: Kann ich mich durchsetzen?

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig überwältigend, aber letztlich ist der Lehrberuf ein Handwerk, wie jedes andere. Es gibt ein paar Kniffe, die den Job sehr erleichtern: 

  1. Seid früh da, dann ist der Kopierer noch nicht belegt. Außerdem könnt ihr einen Blick ins Vertretungsbuch werfen und euch wenigstens seelisch auf etwaige Abweichungen im Stundenplan vorbereiten. 
  2. Stichwort: Vertretungsstunde. Es ist sinnvoll, für alle Fälle immer ein paar Stand-Alone-Stunden zu entwerfen, falls man mal plötzlich irgendwo vertreten muss. Ein paar hübsche Arbeitsblätter sind eine gute Grundlage (Google ist dein Freund). Meist bekommt man vom Lehrer, der vertreten werden muss, Aufgaben, die die Kinder erledigen sollen. Manchmal heißt es aber einfach: "Ach, macht mal was Schönes zur Entspannung." Hier kann ich Rätselfragen oder Teambuilding-Aufgaben empfehlen, von denen es im Internet jede Menge gibt. 
  3. Vorbereitung: Idealerweise erstellt man in den Ferien eine wochenweise Grobplanung für die nächste Unterrichtsperiode. Jede Woche wird dann die Feinplanung für jede Stunde erstellt. Das habe ich gerne am Sonntag gemacht, dann konnte ich mich in der Woche besser dran erinnern. In die Planung gehören verschiedene Punkte:
    1. Wie eröffne ich den Unterricht?
    2. Wie motiviere ich das Thema? (also warum müssen wir das lernen?)
    3. Wie erkläre ich das Thema?
    4. Welche Aufgaben müssen erledigt werden und wie sehen die Lösungen dafür aus?
    5. Wie lasse ich die Stunde ausklingen? (Hausaufgaben) 
  4. Nachbereitung: schreibt auf, was ihr in jeder Stunde mit jeder Klasse gemacht habt. In der nächsten Woche habt ihr das garantiert vergessen. Das ist ganz besonders wichtig, wenn ihr den gleichen Stoff in mehreren Klassen parallel unterrichtet. 
  5. Fragt andere Lehrer um Rat. Aber Vorsicht! Wie bei den Informatikern gilt: die Anzahl der geäußerten unterschiedlichen Meinungen ist größer oder gleich der Anzahl der Befragten. Also sucht euch das Beste aus und zieht es durch. Eine Lehrerin sagt mal zu mir: „Bei den Kindern kann man immer wieder neu anfangen.“ Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt und man kann es ausnutzen, um verschiedene Lern- und Erziehungsstrategien auszuprobieren. 
  6. Vielleicht habt ihr ganz spannende Ideen, wie man den Schulalltag anders gestalten könnte. So mit viel Achtsamkeit und Bedürfnisorientierung. Da ist überhaupt nichts gegen einzuwenden. Nur bei den "echten" Lehrern sollte man sich da zurückhalten. Die sind oft recht empfindlich, was diesen ganzen "neumodischen Kram" angeht. Aber wenn nicht gerade hospitiert wird, seid ihr die Chefs, sobald die Tür zum Klassenraum zugeht. Da könnt ihr auch gerne mal was ausprobieren. 
  7. Stichwort Hospitation: das passiert manchmal. Da sitzen dann hinten im Klassenraum diverse sehr wichtige Leute und machen sind unentwegt Notizen. Lasst euch davon bloß nicht verrückt machen. Immer frei von der Leber weg und so machen wie immer. Wenn man da verkrampft versucht, perfekten Unterricht zu machen, wird alles nur schlimmer. Einen Vorteil hat die Sache: die Schüler sind meist recht brav, weil sie nicht sicher sind, was gerade passiert. Übrigens: die Hospitierenden erwarten, die Unterrichtsvorbereitung in schriftlicher Form im Vorfeld zu bekommen. Anfangs reicht da eine A4-Seite mit der Struktur der Stunde (siehe Tipp 26), später in der pädagogischen Grundqualifikation (das ist die Schnellbesohlung, durch die jeder Quereinsteiger durch muss, wenn er das erste Jahr überlebt) ist das dann schon eine kleine Semesterarbeit mit 10 Seiten oder mehr. 
  8. Oft ergibt sich die folgende Situation: ihr erklärt einem einzelnen Schüler einen Sachverhalt. Der Schüler versteht offenbar. Ihr kommt fünf Minuten später vorbei und seht: er kann's immer noch nicht. Das Phänomen nennt sich „Aura des Professors“. Wenn der Lehrer dabeisteht, klappt's, sobald er weg ist, nicht mehr. Die Lösung: man lasse sich den Sachverhalt noch einmal vom Schüler in seinen eigenen Worten erklären. Dann sieht man, ob er es verstanden hat.
  9. Stichwort „Erklären“. Es gibt ein Sprichwort: „Gib einem Mann einen Fisch und er hat für einen Tag zu essen. Zeig ihm, wie man eine Angel baut und er ist sein Leben lang satt.“ Ähnliches gilt in der Lehre. Wenn man als Lehrer „doziert“, also den Sachverhalt einfach erklärt, kann man sich sicher sein, dass 50% der Klasse es nicht kapieren. Besser ist es, den Stoff gemeinsam mit den Schülern zu erarbeiten. Dazu geht man vom Bekannten aus und führt die Klasse durch Fragen langsam zum Unbekannten. Wenn man so etwas vorhat, ist es wichtig, sich Gedanken über die Zwischenschritte zu machen (also, wie komme ich von A nach B) und die Klasse durch gezielte Fragen zum Ziel zu leiten. 
  10. Was ist euch besser in Erinnerung, die Nachrichten oder der Film gestern Abend? Unser Gehirn nimmt Informationen besser auf, wenn sie in Geschichten verpackt sind. Das ist in Fächern wie Geschichte, Politische Bildung und teilweise in Deutsch noch recht einfach. Für Mathe oder die Naturwissenschaften ist es schon schwieriger. Hier habe ich mir mit Eselsbrücken beholfen. Die darf man sich übrigens auch gerne selbst ausdenken. Als mein Sohn Schwierigkeiten mit dem Umformen von Termen hatte (das sind diese Aufgaben wo links und rechts vom Gleichheitszeichen Rechenoperationen stehen), habe ich ihm beigebracht: "Was ich dem einen Term antue, das füg ich auch dem andern zu." Das hat geholfen.
  11. Anspielungen aus der Popkultur sind ebenfalls eine gute Möglichkeit, Wissen in Kinderhirnen zu verankern. Drei Viertel, als Torte gezeichnet und zur Seite gedreht, sieht aus wie Pacman und war, nachdem wir das bemerkt haben, in der Klasse immer der "Pacman-Bruch". Überhaupt habe ich Brüche immer mit Kuchen und Pizza erklärt. Bis sich die Schüler beschwert haben, sie würden von meinem Matheunterricht Hunger bekommen. Ich habe mich dann mit einem "Brüche-Kuchen" gerächt. Den hab ich in 24 Teile geschnitten und jeder hat einen bekommen, wenn er sagen konnte, was für ein Bruch das gerade ist und ob man den kürzen kann. Das hat grandios funktioniert. 
  12. Als Quereinsteiger habt ihr eine weitere Quelle für Wissen, die die "normalen" Lehrer nicht haben: euer alter Job. Oft kam die Frage: Warum müssen wir das lernen? (Darauf sollte man sich übrigens bei jedem Thema eine Antwort überlegen, die Frage kommt oft). Ich konnte dann mit Anekdoten aus meinen verschiedenen IT-Jobs parieren – kindgerecht aufbereitet natürlich. Ich bin mir ehrlicherweise nicht sicher, ob die Kinder  das immer verstanden haben, aber ich glaube, für einige war es schon interessant. 
  13. Es gibt verschiedene Methoden, eine Aufgabe mit der Klasse zu erledigen. Ich kann die Hausaufgaben einfach vorlesen und bin in 5 Minuten damit durch. Ich kann die Schüler vorlesen und erklären lassen, dann dauert's 10 Minuten. Wenn die Schüler dann noch vorne anschreiben (das machen die gerne), dann kann's auch schon mal 20 Minuten dauern. Eine Stunde hat 45 bzw. 90 Minuten. Die wollen alle gefüllt sein. Schnelle und langsame Teile sollten sich abwechseln. Aber das ist auch schone höhere Pädagogik. Am Anfang reicht es, wenn am Ende vom Stoff noch möglichst wenig Stunde übrig ist.
  14. Dialog mit den Schülern. Wichtig sind offene Fragen, also solche, die an alle Anwesenden gerichtet sind und eine ausführliche Antwort verlangen. „Anastasia-Amalia, ist 3 mal 5 gleich 15?“ ist nicht so gut, wie „So Leute, wer sagt mir, was 3 mal 5 ergibt?“ Außerdem: seid flexibel und passt euch den Schülern an. Wenn die gewünschte Antwort nicht kommt, nutzt es nichts, die gleiche Frage immer wieder anders zu stellen. Dann muss man improvisieren und sich einen anderen Weg ausdenken. Das kann recht reizvoll sein. 
  15. Rituale sind wichtig. Benutzt immer die gleichen Floskeln (wirklich Wort für Wort) und die Schüler wissen bald, was zu tun ist. 
  16. Seid konsequent. Lasst nicht einem Schüler durchgehen, was ihr bei einem anderen Schüler bestraft. Wenn ihr droht, seid bereit, die Drohung in die Tat umzusetzen. Informiert euch vorher, womit ihr drohen dürft. Vieles, was in unserer Schulzeit noch üblich war, ist heute nicht mehr statthaft. Erkundigt euch genau, was ihr dürft und was nicht. An meiner Schule war es beispielsweise nicht erlaubt, Hausaufgaben zu zensieren, weil man (zu Recht) annehmen musste, die Eltern hätten sie gemacht. 
  17. Ein letzter Punkt, der mir persönlich sehr wichtig ist: Ihr wollt von den Kindern respektiert werden. Dann behandelt die Kinder mit Respekt. Würdigt sie nicht herab, macht sie nicht lächerlich. Wenn falsche Antworten kommen, ist das kein Grund, darüber Witze zu machen. Wenn ihr mit einem Kind ein Problem klären müsst, dann schnappt euch das Kind nach dem Unterricht, setzt euch zusammen und redet unter vier Augen. Und dann nicht einfach ausschimpfen. Das kennen die Kinder zur Genüge, da hören die gar nicht zu. Besser ist es, auf die Kinder einzugehen. Fragen, wo das Problem liegt. Zuhören. Angebote machen. Gemeinsam das Problem lösen. Wie bei der Familienkonferenz.

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10 comments on “11 Fragen: Sollte ich Lehrer im Quereinstieg werden?”

  1. Hallo,
    eine sehr realistische Beschreibung und Einordnung! Bin selbst Lehrerin und werde nie vergessen, wie auf einem Klassenausflug in der Frankfurter S-Bahn eine Frau zu mir sagte:“Ich habe Hochachtung! Das würde ich nie schaffen.“

    Generell bleibt zu ergänzen, dass Ausgaben für Unterrichtsmaterial und Vorbereitungszeit für Unterricht mit den Jahren immer weniger werden. Die Ausgaben hole ich mir zum Teil über die Steuererklärung wieder (Stichwort: Arbeitszimmer). Habe das Glück, an einer sehr guten, kleinen hessischen Gesamtschule im Beamtenverhältnis zu arbeiten und fahre wirklich jeden Tag sehr gerne dorthin! Ein Traumberuf!

    Aber ganz wichtig, weil nicht ganz richtig:
    Kommst Du Deiner Aufsichtspflicht nach, bist KEIN Sportlehrer und gibst keinen Sportunterricht, sind Verletzungen und Folgekosten bei Schülern NICHT vom Lehrer zu bezahlen! Auch auf Klassenfahrten nicht, wenn eine Unterschrift der Erziehungsberechtigten vorliegt, dass Drogengebrauch streng verboten ist.

    Motivation für Lehrer gibt's auf Instagram bei Nicolas Ferroni ...

    Beste Grüße
    Simone

    1. Hallo Simone,

      schön, dass dir der Artikel gefallen hat. Ich hoffe, ich konnte rüberbringen, dass ich den Lehrerberuf an sich für eine tolle Sache halte, nur dass sich viele Leute falsche Vorstellungen machen und recht blauäugig an das Thema Quereinstieg rangehen. Das habe ich jedenfalls in den letzten Monaten immer wieder erlebt.

      Danke auch für die beiden Ergänzungen. Zum Thema Haftung muss ich sagen, dass ich hier nur das wiedergegeben habe, was uns unser "toller" Seminarleiter erzählt hat. Das hat er uns offensichtlich falsch vermittelt, was mich nicht wundern würde (oder das ist hier in Brandenburg anders). Mir selbst ist sowas zum Glück nicht passiert.

      Viele Grüße,
      Martin

    2. Hallo Martin,
      in meinem Freundeskreis gibt es viele, die „dann notfalls auch Lehrer werden“. Danke, dass du einen solch ehrlichen Bericht verfasst hast. An meiner Schule sind von zehn Quereinsteigern maximal zwei für den Job gemacht (und die sind ganz großartig!).
      Quereinstieg an sich ist nichts schlechtes, man sollte es sich nur vorher ganz genau überlegen (und vllt deine ehrlichen Worte dazu lesen )...

    3. Hallo Doro,

      danke für die netten Worte. Genau so war der Artikel auch beabsichtigt.

  2. Einfach guter Beitrag. Stehe vor einem Quereinstieg für das Schuljahr 23/24 und bin auch nach deinem Beitrag motiviert. Etwas Blauäugigkeit ist aber nach wie vor dabei.
    Jedenfalls danke für die offenen Beitrag - ich fand's super!

    1. Hallo Felix,
      danke dir für die lieben Worte!
      Ich weiß nicht, ob Martin noch antwortet, aber seine offenen Worte sind auf jeden Fall Gold wert!
      Liebe Grüße
      Sarah

  3. Eigentlich ist das der erste quereinsteiger-artikel, der realistisch berichtet... bin selbst (sehr-) späteinsteigerin und unterschreibe wort für wort! Da sind echt harte zeiten dabei!

    1. Hallo Barbara,
      danke für deinen Kommentar zu Martins Artikel!
      Ich stelle mir den Job unglaublich belastend vor, wenn man so viel durchsetzen will und nur gegen Windmühlen als das System kämpft.
      Liebe Grüße
      Sarah

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