Miss Broccoli - Moana - schreibt für meine Reihe Arbeitgeber from Hell über ihre Erfahrungen als Mama auf Jobsuche.
Es beginnt beim Mutterschaftsurlaub: Auf Jobsuche zu sein ist schwierig. Ist man dazu noch Mama mit einem kleinen Kind, kann es noch schwieriger werden und zu unschönen Fragen führen. Und im schlimmsten Falle zu depressiven Müttern. Ist unsere Gesellschaft einfach noch nicht so weit, den Spagat von arbeitenden Frauen mit Kindern zu schaffen?
Mamas haben es nicht einfach – jüngst habe ich gelesen, dass das heute Rollenbild die Frauen depressiv macht, denn sie sollten alles können: arbeiten gehen, den Haushalt schmeißen, die Kinder erziehen und und und.
Ich wollte eigentlich nur eines, nachdem ich doch genügend Arbeitserfahrung gesammelt hatte und eine gute Stellung dazu: Mein Kind bekommen, den ach so kurzen Mutterschaftsurlaub (in der Schweiz 14 Wochen) genießen. Und dann wieder zurück in den Job; den Spagat mit Kind würde ich schon hinkriegen. Ich wusste eigentlich schon immer: Wenn ich mal Kinder habe, dann werde ich trotzdem arbeiten gehen wollen – nur Hausmama zu sein wäre nichts für mich und all die guten Ausbildungen habe ich auch nicht gemacht, um dann weg vom Fenster zu sein. Und schließlich hatte ich seit 4,5 Jahren meinen Traumjob.
Mein Arbeitgeber erlaubte mir dann auch, mit einem Pensum von 50% zurück zu kommen. Super, dachte ich. Und alles schien geregelt. Außer dem zu kurzen Mutterschaftsurlaub, natürlich. Da beneide ich Deutschland schon. Ich durfte noch 2 Ferienwochen anhängen, mehr ging aber nicht. Also ging ich schweren Herzens wieder arbeiten, brachte den Kleinen in die Kita oder zu den Großeltern. Nach mehreren Wochen war es eingependelt und funktionierte ganz gut.
Als ich bereits wieder seit 10 Monaten zurück im Arbeitsalltag war (und es funktionierte gut, ich las meine Mails auch an meinen freien Tagen, ließ nichts stehen, erledigte alles, kannte ja den Laden seit über 5 Jahren), gab es eine „Reorganisation“. Man durfte keine Leitungsstelle mehr haben, wenn man weniger als 80% arbeitete. Kurzum: ich wurde degradiert. Mir wurde zwar angeboten, den Job zu machen. Aber eben: mit mindestens 80%. Optionen gab es keine. Innert 2 Wochen wurde das Stelleninserat ausgeschrieben und jemand Neues gesucht. Für mich war der Fall klar – nach allem was ich aufgebaut und gemacht hatte – ich konnte nicht weiter da arbeiten, als Ausführende ohne die Verantwortung, die ich vorher hatte. Also ging ich auf Jobsuche. Ich verschweige hier meine Frustration, meine vielen Fragen zum Warum, und die Enttäuschung über meinen Arbeitgeber.
Anscheinend ist es heute oft immer noch nicht möglich, dass eine teilzeitarbeitende, engagierte Mitarbeiterin ihr Pensum etwas reduziert. Es wird lieber in Kauf genommen, dass diese geht und viel Wissen verloren geht (das kann bis zu 70% sein!). Anscheinend kann man in einem 50 oder 60% Pensum keine Verantwortung tragen! Deshalb mein Fazit: Mit 40% arbeitest du, um dich noch ein bisschen zu beschäftigen. 50% ist für die, die im Joballtag bleiben wollen. Bei 50 oder 60% eine Stelle zu finden mit Verantwortung: da musst du Glück haben. Karriere weiterverfolgen: das geht nur, wenn du mindestens 80% als Pensum behältst. Und das wollen halt viele frischgebackene Mamas nicht.
Also ging ich auf Jobsuche. Und ich habe mir während dieser Zeit oft gewünscht, nicht so eine gute Ausbildung (Universität und zwei CAS) zu haben. Dann hätte ich mich auf viel mehr Jobs bewerben können. Oft war ich (auf Nachfrage) überqualifiziert. Oder war keine Wunschkandidatin, da ich vorhin so viel Verantwortung hatte, die ich nun nicht mehr hätte. Oder hieß es, dass ich unterfordert wäre. Hinzu kam, dass mir einige Firmen einen enorm tieferen Lohn gezahlt hätten – so dass ich von mir aus ablehnen musste.
Auf der anderen Seite merkte ich, dass die Nachfrage nach 50-60%-Stellen im Bereich Kommunikation enorm sein muss. Bei einer Stelle bewarben sich anscheinend über 80 Interessierte. Ich durfte mich da vorstellen, kam in die 50:50-Auswahl – wie so oft. Eigentlich ein gutes Zeichen…
Ich habe mich in der ganzen Zeit, die 4 Monate dauerte, bei 30 Stellen beworben, und durfte mich bei 9 Stellen vorstellen gehen. Mit einigen führte ich im Vorfeld ein Telefoninterview – dies finde ich ein bewährtes Mittel, da man diverse wichtige Fragen zu Lohn, Pensum, Verantwortung bereits klären kann. Denn eine Mama im Job-Bewerbungsprozess, das heißt viel Aufwand: a) Termin vereinbaren b) Betreuung für Kind organisieren c) sich gut vorbereiten. Punkt c) ist schwierig, man hat ja so wenig Zeit mit einem 1,5-jährigen Kind! Dann immer die Tante, den Partner oder die Großeltern aufbieten für das Hüten – ein riesiger Aufwand!
Da ich mich explizit auf Teilzeitstellen bewarb, habe ich mir lange überlegt, wie und ob ich mein Kind erwähnen sollte. Ich entschied mich, es in meinen Lebenslauf zu erwähnen. Einige Arbeitgeber erwähnten nur, „Ah, ein Kind, und klappt dies gut mit der Arbeit?“ Darauf antwortet ich immer – denn es entspricht der Wahrheit – ja, wir haben uns gut eingespielt, es gibt den Großeltern-, den Kita- und den Papitag. Oft wurde ich auch gefragt, ob ich denn fixe Tage arbeiten möchte (ja da wäre ich froh, kann ja die Betreuung nicht wöchentlich ändern).
Prekärer war die Frage, ob und wann denn das zweite Kind anstehe. Ich antwortete jedes Mal zuerst mit „Sie wissen, dass Sie dies nicht fragen dürfen?“. Es kam nur ein nettes Lächeln zurück. Ich probierte es einmal mit „Das ist sicher ein Thema aber jetzt noch nicht“. Aber auch mit einer längeren Ausführung wie „Das ist ein Thema, aber ich kann versichern, ich hatte eine super erste Schwangerschaft, arbeitete bis eine Woche vor der Geburt, komme ja nachher wieder, hatte während meiner Abwesenheit alles im Vorfeld geregelt, Medienmitteilungen vorgeschrieben etc. Sei also alles kein Problem“. Ich war aber jedes Mal froh, wenn ich dies NICHT gefragt wurde. Da hilft auch kein „Wissen Sie, wir sind eine soziale Firma, haben viele Teilzeitstellen, aber wir müssen Sie dies fragen…“. Mein Ratschlag zu dieser Frage ist inzwischen: Sag einfach, es sei gerade kein Thema. Es geht niemanden etwas an. Ob dies nun in einem Jahr oder erst in 4 Jahren oder gar nie der Fall sein wird – unsere Gesellschaft ist ja organisiert und dass man Kinder bekommt, gehört zu unserer Gesellschaft. Und Firmen, die mit diesem Fakt nicht leben können, haben dich als Mitarbeiterin nicht verdient!
Über die Gastautorin
Miss Broccoli – der Mama Foodblog vereint Mamablog-Themen rund ums Leben und Essen mit Kindern mit leckeren vegetarischen & veganen Rezepten. Immer mit viel Gemüse. Auch Essenstipps für Gemüseverweigerer, für den ersten Babybrei oder Infos über Gemüse fehlen nicht, da Moana (Miss Broccoli) in der Gemüsebranche im Marketing arbeitet. Als arbeitende Mama mit einem kleinen Sohn bloggt sie ausserdem in der Rubrik Mamablog über ihren Alltag, der kunterbunt zwischen Arbeit, Haus & Garten und Küche stattfindet.
Wer hat ähnliche Erfahrungen wie Moana gemacht? Schreibt ihr gerne ein Kommentar. Wer auch (anonym) über die schlechten Erfahrungen mit Arbeitgebern berichten möchte, kann sich gerne bei mir melden: E-Mail senden.
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Mental Load gibt es, keine Frage. Doch Mental Load taucht aktuell überall auf, mir ist es zu viel. In den Blogposts und Artikeln steht, dass die Mütter den Großteil der Verantwortung und Organisation tragen. Ich kann es nicht mehr hören. Die Mental Load Debatte fühlt sich für mich eher nach Mimimi an statt nach Problemlösung: […]
Die 40-Stunden-Woche als Vollzeit-Definition muss endlich wegfallen! Wir kommen ins Straucheln bei der täglichen Care-Arbeit, obwohl wir uns diese sehr gut gemeinsam aufteilen. Wir hetzen von Arbeit zu den Kindern, die Kitas und Schulen haben mitunter kürzere Öffnungszeiten. Gesellschaft, Unternehmen, Lobbies, ändert euch endlich!
Ein sehr interessanter Beitrag. Viele Situationen, die du geschildert hast, kamen mir sehr bekannt vor. Auch ich bin Mutter, sogar zweifache. Eigentlich hatte ich nach der ersten Geburt vor, nach der Elternzeit wieder zu arbeiten. Aber da hat mir meine Kleine einen Strich durch die Rechnung gemacht, was ich aber auch super finde. Da ich aber länger als gedacht nicht mehr berufstätig war, wurde meine Stelle an jemand anderes vergeben. Da mein Arbeitsvertrag eine Versetzungsklausel beinhaltet, die besagt, dass man mich auch in anderen gleichwertigen Arbeitsstellen einsetzen kann, die meinen Vorkenntnissen und meiner Erfahrung entsprechen, wurde ich schließlich auf eine andere Abteilung versetzt.
Mir hat die neue Arbeit nicht Spaß gemacht, weshalb ich mich auch auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle gemacht habe. Das (Edit: Name wurde von der Redaktion entfernt) hat mir die Jobsuche erleichtert, weil ich gezielt bei der Suchfunktion die Tätigkeit, Region und die Vertragsart (Vollzeit oder Teilzeit) angeben konnte. (Edit Redaktion: Link entfernt)
Natürlich wurden mir bei den Vorstellungsgesprächen auch unangenehme Fragen wie: "Planen sie noch ein drittes Kind?" gestellt. Jedoch habe ich diese Fragen einfach mit Nein beantwortet. Wieso soll ich auf eine Frage, welche mir nicht gestellt werden darf, ehrlich antworten? Mit etwas Geduld schafft man es schließlich auch als Mutter eine geeignete Stelle zu finden.
Ich wünsche allen anderen Müttern, die auf der Jobsuche sind viel Glück!