Wie man in sieben Schritten zu einer gelassenen Eltern-Kind-Beziehung kommt, zeigen die Autorinnen Daniela Gaigg und Linda Syllaba in ihrem Erziehungsratgeber Die Schimpf-Diät. Im Gegensatz dazu steht Warum Seriengucken uns zu besseren Eltern macht - Erziehen mit Netflix & Co von Jochen Till. Er setzt auf sehr viel Humor mit einer Prise Ratgeber. Beide Bücher stelle ich ausführlich in dieser Rezension vor.
Die besten Dinge im Leben sind keine Dinge.
Mantra zum Ausdrucken - aus Die Schimpf-Diät
Du suchst einen Erziehungsratgeber, der hilfreiche Tipps gibt, aber keine Moralkeule schwingt? Dann bist du bei Die Schimpfdiät von Daniela Gaigg und Linda Syllaba absolut richtig. Die beiden Autorinnen geleiten Eltern in ihrem Ratgeber durch sieben Schritte, die zu einer gelassenen Eltern-Kind-Beziehung führen.
Beim Lesen fühlt man sich sofort wohl: die Autorinnen sind nahbar und dank Danielas Mama-Sicht mit authentischen Praxisbeispielen in jedem Kapitel kann man ihre Reflexion der verschiedenen Erziehungsthemen beinah selbst spüren.
Die Schimpf-Diät steigt mit einer sehr wichtigen Botschaft ein: Kinder sind individuell, man sollte ihnen auf Augenhöhe begegnen und sie nicht zu etwas machen, was sie nicht sind. Gleichwürdigkeit ist der wichtige Begriff.
Was schnell gelöst klingt, ist in der Realität mit viel Arbeit verbunden. Dazu gehören Übungen, welche die Autorinnen aufgeben, wie auch die Selbstanalyse über das Vergangene, das Jetzt und die Zukunft: Wie soll die Beziehung, das eigene Handeln später aussehen?
In jedem Kapitel stecken viele Hintergrundinfos und Tipps, sodass die Verarbeitung einige Zeit in Anspruch nimmt. Der Ratgeber regt zum Denken an - ohne ein "du musst" mitklingen zu lassen.
Die Themen von Die Schimpf-Diät sind anschaulich gegliedert:
Eingehen möchte ich auf den ersten Schritt: Selbstreflexion. Das Thema startet mit einer Befragung von Kindern: Wie fühlen sie sich, wenn mit ihnen geschimpft wird? Zudem wurde sich bei ihnen erkundigt: Was ist wohl die Ursache für das Schimpfen? Die Antworten machen sehr betroffen und erlauben einen Sichtwechsel.
Anschließend wurden auch Erwachsene gebeten, sich dazu zu äußern. Es zeigte sich, dass sie ähnlich wie Kinder reagieren und empfinden. Sie fühlen sich u. a. klein. (S. 34) Daraufhin wird untersucht, wie Schimpfen wirkt. Dazu erläutert ein Neurobiologe die Hintergründe. Auch an anderen Stellen erklären Experten (darunter auch eine Psychoanalytikerin, Psychologin, Waldpädagogin sowie zwei Psychotherapeuten) die wissenschaftlichen Hintergründe zu den Erziehungsaspekten.
Im Ratgeber Die Schimpf-Diät gibt es einen Download-Code mit dem man sechs Mantras der Autorinnen als Lettering ausdrucken kann. Damit kann man sich täglich vor Augen führen, was man ändern möchte.
Ich liebe die Art, wie die Autorinnen schreiben und Praxiswissen vermitteln. Die ganzen Tipps anzunehmen und im eigenen Alltag umzusetzen dürfte eine Weile dauern. Es ist kein Buch, das man einmal liest und dann verinnerlicht hat. Das will es auch gar nicht sein. Die Schimpf-Diät begleitet Eltern, die eben nicht mehr so viel Meckern wollen. Daniela Gaigg und Linda Syllaba haben einen sehr guten Erziehungsratgeber geschrieben, den man gerne erneut in die Hand nimmt und mit dem man arbeiten will. Es ist eine Hilfe im beziehungsorientierten Alltag mit Kindern - auf Augenhöhe.
Mehr Infos über Die Schimpf-Diät
Fernsehserien, die als Grundlage für Erziehung dienen und darauf basierende Tipps für Eltern, das geht? Jochen Till zeigt kleine Ausschnitte aus Streaming-Serien und damit, wie man es nicht unbedingt als Eltern machen soll. Doch findet er auch einige Positivbeispiele, in denen Serieneltern gut mit ihren Kindern umgehen. Die christliche Familie Camden aus Eine himmlische Familie kommt bei ihm tatsächlich nicht gut weg: viel zu entsetzt reagieren sie auf den Drogenfund bei einem ihrer Kinder. Dafür lobt er Roseanne, die viel gelassener mit dem Thema umgeht. Vielleicht eine Spur zu gelassen.
Das Buch richtet sich an Eltern, die vor allem zwei Dinge mitbringen: sehr viel Humor und Interesse an Serien. So überlegt er im ersten Kapitel Suppenkasper 2.0, ob Hannibal Lecter wohl deshalb zum Menschenfleischesser wurde, weil er unter Druck gesetzt wurde.
Kurz danach empfiehlt Jochen Till die Top 10 seiner liebsten Gruselserien. Ein ernstgemeinter Erziehungsratschlag von ihm: nicht mit Kindern schauen!
In jedem der 13 Kapitel überlegt sich der kinderlose Autor, wie man Erziehungsaspekte rund um das Essen, Schlafen, Sauberwerden, Geschwisterstreit & Co. handhaben könnte. Er gibt witzige Anekdoten aus seiner eigenen Kindheit wieder. So berichtet er z. B. von seiner leidlichen Erfahrung mit Gulasch - ein Gericht, das er nicht essen wollte und doch dazu gezwungen wurde. Entsprechend sah seine Körperreaktion aus.
Tatsächlich sehr hilfreich finde ich die vielen Top 10 Listen an Serien, die ich längst nicht alle gesehen habe. Aber mal ehrlich: bei seiner Einschätzung zu den Top 6 der liebsten Star-Trek-Kapitäne kann ich nun wirklich nicht mitgehen. Kathryn Janeway auf dem letzten Platz? Ich bitte dich, Jochen!
Was? Keine Ahnung? Ich? Da sind wird ausnahmsweise einer Meinung. Ja, ja, Sie haben recht und ich hab meine Ruhe."
S. 27, Top 6 aller Star-Trek-Kapitäne und -Serien, Warum Seriengucken uns zu besseren Eltern macht
In ebenfalls humorvollen Telefon-Dialogen bespricht der Autor diverse Erziehungsthemen mit der Diplom-Psychologin Anke Precht, die tatsächliche Empfehlungen für Eltern darstellen sollen.
In kurzen Gesprächen erwischt er sie immer in unmöglichen (und komischen) Situationen: bei der Pediküre, beim Zubettgehen, bei der Flucht vor ihrem Bruder usw. Diese sind immer perfekt in das jeweilige Thema des Kapitels eingebunden. Wie schön der Autor im Dialog piesacken kann, weil die Psychologin vor ihrem Bruder flüchtet - eine passende Anekdote zum Geschwisterstreit. 😉
Das Buch würde ich nicht als Erziehungsratgeber bezeichnen, auch wenn die Rückseite es als solchen betitelt. Mit der witzigen Art werden viele Probleme von Eltern aufgegriffen und dies mit Serienvorbildern verknüpft. Die Idee ist super und trifft sicher bei den Eltern ins Herz, die einen Hang zum schwarzen Humor haben und nicht alles ganz so ernst nehmen. Das wäre doch ein tolles Geschenk für humorvolle Serien-Nerds, die auch Eltern sind!
Für eine Neuauflage würde ich mir wünschen, dass die tatsächlichen Tipps in Ratgeberform aktuellen Grundlagen entsprechen. Nicht, dass jemand wieder mit dem Töpfchentraining oder Ferbern anfängt, wie es im Buch leider empfohlen wird. Vielleicht sollte man es wie Jochen machen: es nicht so ernst nehmen und einfach lachen.
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