Wer Familienkonferenz von Gordon (Teil 1 der Serie) mag, kann mit dem nächsten Band Familienkonferenz in der Praxis sein Wissen noch erweitern. Darüber hinaus geht es um Anwendungsfälle und vor allem Beispiele von Familien mit Erfolgen und Schwierigkeiten samt Kommentaren des Autors. Der Ratgeber stellt eine hilfreiche Erweiterung rund um die Kommunikation mit Kindern dar.
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Wenn man einen Familienratgeber liest, denkt man oft: Wie einleuchtend! Und dann hat man die erste größere Krise und fragt sich, wie das in der Realität klappen soll. Was nämlich in der Theorie leicht klingt, kann ganz schön herausfordernd sein, wenn es um die Umsetzung geht. Thomas Gordon widmet sich mit dem zweiten Band der Familienkonferenz in der Praxis* um genau die Probleme von Eltern.
Wer bisher keine Probleme in der Umsetzung der Familienkonferenz nach Gordon hatte, wird dieses Buch vermutlich nicht brauchen. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass Leser des ersten Bandes über eine weitere Vertiefung, eben Praxis-Fälle sehr dankbar sind.
Der zweite Band kann sicher auch dann eine sinnvolle Ergänzung sein, wenn man keinen eigenständigen Kurs besucht hat, der vielerorts angeboten wird. Dort wird das Wissen vertieft und vor allem durch viele Fallbeispiele verdeutlicht. Denn nicht alles ist in der Familienkonferenz sofort verständlich, wie die Erfahrungsberichte von Gordons Familienkonferenz in der Praxis zeigt.
Nun könnte man meinen, wenn Kursabsolventen befragt werden, wird nur das Gute abgedruckt. Das ist hier nicht der Fall. Stattdessen werden genau die Probleme gezeigt, die Eltern mit der Umsetzung der Techniken wie dem aktiven Zuhören und dem Senden von Ich-Botschaften haben.
Aber auch Skepsis von Eltern wird gezeigt - und die Erfolge, die schließlich die korrekte Umsetzung zeigen. Thomas Gordon geht auf die Berichte ein und erörtert aus seiner Sicht die Fälle. Schließlich kommt es zum Erfolg in der Kommunikation mit Kindern.
Ich finde in einigen Fällen Beispiele, die auch zu unserer Familie passen. Darüber hinaus wird auch über Eltern von pubertierenden oder erwachsenen Kindern berichtet.
Der erste Band wird durch diesen Ratgeber noch ergänzt. Es wird nur das Wichtigste wiederholt, die Grundlagen sollten somit vorab im ersten Teil nachgelesen werden.
Zudem geht Gordon darauf ein, welche Neuerungen er sieht. Dazu gehören auch Neuheiten, die sich im Gespräch mit Eltern und anderen Mentoren der Familienkonferenz in der Praxis ergaben. Ausschnitte daraus sind:
Der Autor geht außerdem auf viele Falschannahmen von Eltern ein. Dazu gehören jene Dinge, von denen Eltern fälschlicherweise als korrekt ausgehen.
So sind manche Eltern der Meinung, man muss die Familienkonferenz immer - und ohne Kompromiss - durchziehen. Da dies nicht geht, könnte man das gleich hinschmeißen. Das ist nicht realistisch, schreibt Gordon.
Es gibt ein bestimmtes Toleranzniveau, das bei jedem unterschiedlich hoch ist. (S. 25). Gordon erwähnt eindringlich, dass dieses selbst von Tag zu Tag verschieden sein kann. Daher muss man dem Kind nicht mit derselben Haltung gegenübertreten, nur weil es sonst immer so war. Somit kommt es erst gar nicht zur Konsequenz, immer gleich agieren zu müssen.
Beispiel Lärmpegel: Was man an einem Morgen gut aushält, kann nach einem langen Arbeitstag schon anders sein.
Gorden schreibt weiter, dass Eltern eben nicht immer gleich handeln müssen. Das ist sicher eine große Erleichterung für Eltern, denn die Ansichten sind oft unterschiedlich. Das beginnt beim Lärmpegel und endet bei großen Themen - die man dann in der Familienkonferenz in der Praxis bespricht. (S. 30)
Definition aktives Zuhören: „Aktives Zuhören ist ein Instrument, durch das man einem Kind mitteilt, man akzeptiere seine Probleme, sodass es ermutigt wird, darüber zu sprechen, und unter Umständen eine eigene Lösung findet.“
Familienkonferenz in der Praxis, Thomas Gordon, S. 87
Gordon erörtert die vier grundlegenden Techniken des Zuhörens. Dazu zählen z. B. das aktive Zuhören und das Vermeiden der zwölf Kommunikationssperren (Befehle geben, Lob aussprechen, Vorträge halten, Lösungen mitgeben usw.). (S. 60)
Es wird sehr detailliert darauf eingegangen, wie man aktiv zuhören kann. Das fällt laut Ratgeber einigen Eltern schwer. Mit Familienkonferenz in der Praxis gibt Gordon viele Beispiele aus dem Familienalltag mit und begleitet diese mit seiner fachkundigen Meinung.
Weiterhin gibt es Richtlinien zur Verbesserung des Zuhörens für Eltern. Darunter fällt die Frage: Will das Kind überhaupt, dass man zuhört? Bietet sich die Situation an, dass man aktives Zuhören verwendet? (S. 98)
Hat man vielleicht selbst das Problem (die gewählte Frisur des Kindes gefällt nicht), dann bringt auch aktives Zuhören nichts. Hier hat nämlich das Kind gar kein Problem: Das liegt beim Elternteil!
Es ist wie bei uns: Es kommt auf die Stimmung an. Gordon mahnt auch hier zur Besonnenheit. Das aktive Zuhören darf man nicht übertreiben. Vielmehr darf man nicht alles damit zu lösen versuchen. Eher soll man diese Kommunikationstechnik für erstere Probleme verwenden.
Nicht jedes Kind will reden, daher sollte man natürlich schauen, was das Kind möchte. Passives Zuhören (= schweigen) oder Türöffner wie "Willst du darüber reden?" könnten helfen. (S. 83)
Was man Kindern nicht sagen sollte: Die 12 Kommunikationssperren werden mit Beispielen erläutert und helfen Eltern dabei zu verstehen, was man bestenfalls vermeiden sollte. (s. 134)
Ich-Botschaften sind vermeintlich einfach, fordern aber heraus, dass man seine wahren Gefühle kennt. In Familienkonferenz in der Praxis gibt es auch dazu Erlebnisberichte von Eltern. Es wird gezeigt, wie Ich-Botschaften helfen und wie Du-Botschaften wirken können.
Denn Ich-Botschaften helfen anderen dabei zu verstehen, was man fühlt und was man sich wünscht. Sie sollten keinesfalls Lösungen für Kinder enthalten.
Als Ergänzung dazu stellt Gordon die anerkennende Ich-Botschaft sowie präventive Ich-Botschaft vor, die manchen Situation schon vorab den Wind aus den Segeln nimmt. (S. 182)
Super interessant ist das Thema Ärger, den Gordon für ein sekundäres Gefühl hält. (S. 175) Normalerweise entsteht Ärger aus einem primären Gefühl wie Schmerz, Verlegenheit oder Angst. Nun muss man herausfinden, weshalb man verärgert ist.
Und dieser Auszug ist sehr, sehr schlau:
„Vielleicht finden Sie dann heraus, dass Sie eigentlich nicht ärgerlich auf das sind, was die Kinder tun, sondern auf das, was Sie nicht tun können“
Familienkonferenz in der Praxis, Thomas Gordon, S. 177
Bei dem Thema niederlagelose Konflikte gibt es teils Überlegungen, ob es diese überhaupt geben kann. Doch dass es diese gibt, zeigen viele positive Beispiele.
Und auch hier macht Übung den Meister bzw. die Meisterin: Gordon rät allen, dass man erst mit weniger wichtigen Konflikten beginnt. So könnte man besprechend, wo man Urlaub macht (= präventive Problemlösung). - S. 221
Damit man wirklich dafür sorgen kann, dass die Kinder mitreden wollen, also aktiv an der Familienkonferenz teilnehmen wollen, könnte man ein Problem wählen, bei dem sich das Kind bisher nicht gehört fühlte. Wenn es z. B. um seine Bettgehzeit geht, die vorher bei Eltern nicht diskutiert wurde.
Was ist, wenn sich Kinder nicht an die gemeinsamen Absprachen halten? Hier sollte man laut Autor starke Ich-Botschaften senden. (S. 225)
Vier Familien berichten ausführlich über ihre eigenen Erfahrungen mit der Familienkonferenz im Alltag mit Kindern. Hier kommen ganze 56 Seiten zusammen. In jedem Bericht findet Herausforderungen und Erfolge und man kann eindeutig Fortschritte dank der angewendeten Techniken der Familienkonferenz sehen.
Familienkonferenz in der Praxis eignet sich für alle Eltern (Großeltern, Lehrer...), die noch weiter in die Familienkonferenz eintauchen und verstehen wollen.
Obwohl es eine Erweiterung zur bestehenden Familienkonferenz mit Verbesserungen ist, ist es keine Kopie. Das heißt, wer sich für die Techniken interessiert, sollte auf jeden Fall auch den ersten Band Familienkonferenz* lesen.
Familienkonferenz in der Praxis zeigt, wie Eltern die Techniken anwenden, womit es Probleme gibt und wie sie diese lösen können. Es geht um ein friedliches Miteinander ohne Lob, Strafen und mit niederlagelosen Konflikten.
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