Überall lese und höre ich aus vielen Kreisen: "Genieße den Moment mit den Kindern, solang sie noch so klein sind." Da ist natürlich etwas Wahres dran, aber für mich geht es um mehr: Ums Überleben, um meine Bedürfnisse, um mich. Denn es zählen noch mehr Dinge. Vielmehr erzeugt es massiv Druck auf die eh schon gestressten Eltern. Muss man ersthaft versuchen, alles zu genießen, obwohl der Alltag nicht immer rosig ist?
Man soll ja so viel genießen: Dass sie so klein sind, dass sie friedlich stillen und meist dabei einschlafen, die Nächte, in denen man ihnen Schlaflieder singt, sofern man diesen Situationen überhaupt etwas Positives abgewinnen kann. Dazu gibt es noch viele andere Dinge.
Wie sie so drollig in ihrem Bettchen liegen, stundenlange Spaziergänge mit Kinderwagen oder Tragetuch, die ersten Krabbel- und Gehversuche und überhaupt alles. Am besten genießt man jeden Augenblick mit den Kleinen, denn sie wachsen ja so schnell. Hier bitte mein Augenrollen einfügen.
Beim ersten Kind hat man in der Regel viel Zeit, um alles an dem kleinen Lebewesen zu bewundern. Die kleinen Fingerchen, das zarte Stimmchen. Ach wie süß, wie es schreit! Das ändert sich rasant.
Beim zweiten und dritten Kind muss man sich schon Zeit nehmen, um überhaupt irgendetwas bewundern zu können. Da kommen zwischen "Ach, wie süß, die Zehchen!" und "Wie niedlich das Baby trinkt!" nämlich drölfzig Ladungen Wäsche, Essen machen für die stets hungrigen Geschwister und, da war ja noch was, die eigenen Bedürfnisse. Ich kann das nicht alles jederzeit genießen.
Ich bin nie auf den Achtsamkeitszug mit Meditation, Atemübungen etc. aufgesprungen. Selbst Yoga war mir schon zu viel. Ich wollte das ganze Chichi nicht. Dennoch weiß ich: Ich brauche Pausen. Meine Hobbys sind mir wichtig und dabei soll nicht ständig ein Kind an mir kleben.
Es ist illusorisch, dass man jeden Moment mit Kind genießen kann.
Ich möchte lesen, zocken und schreiben. Mit kleinem Baby erschien mir selbst ein Drogeriebesuch ohne Kind wie ein Erholungsurlaub. Kurz verschnaufen und nicht alles niedlich finden müssen. Da ich fühl ich glatt mit dem Neinhorn-Kinderbuch* (Werbelink) mit. Zu viel Plüsch tut mir nicht gut.
Das geht spätestens dann nicht mehr, wenn man ein Kind hat, das eben anders als andere ist. Z. B. Weil es krank ist oder besonders viel Aufmerksamkeit benötigt. Oder weil es nicht das erste Kind ist. Denn kein Kind läuft einfach so mit. Jedes Einzelne braucht dedizierte Aufmerksamkeit der Eltern.
Und genau diese Sätze schaffen Druck von außen. Ich weiß noch, wie mir eine Bekannte ins Gesicht sagte: "Genieß es, solang sie noch so klein sind." Das erzeugte eine kleine, schmerzende Kugel in meinem Bauch. Dabei dachte ich nur daran, wie wir in dem viel zu trubeligen Alltag ins Schwimmen kamen. Wie soll das gehen, all das zu genießen, wenn es doch an allen Ecken und Kanten hakt?
Im Rückblick auf das erste Jahr mit drei Kindern wüsste ich nicht, was ich hätte anders oder einfacher machen können. Das Dorf zur Betreuung fehlte eben. Wir haben nur die Kita und Schule, die uns bis in den frühen Nachmittag hinein unterstützen.
Und das auch nur wenn keine Schließzeit ist oder - schlimmer noch - Corona-Krise. Wir sind permanent unter Stress, weil immer ein Kind Hunger hat, eins etwas spielen will, ein anderes aber nicht rausgehen mag usw. Hier prallen fünf verschiedene Bedürfnisse aufeinander.
Ja, wir genießen Momente, aber nur jene, die wir aktiv wahrnehmen. Es geht nicht darum, jeden einzelnen Moment aufzusaugen. Das klappt bereits mit einem Kind nicht mehr.
Vielmehr möchte ich die Momente sammeln, die ich selbst mit meinen Kindern im Hier und Jetzt erlebe. Nach der Babyphase sind das im Kleinkindalter das erste Mal Schaukeln, Fahrradfahren oder die Sitzbank streichen. Momente, die Kinder stolz machen, in denen man ihnen von den Augen ablesen kann, dass sie selbst stolz sind.
Ich möchte nicht von außen gesagt bekommen, dass wir dies und jenes genießen müssen. Das erzeugt Druck. Und den kann ich im Alltag mit drei Kindern nicht gebrauchen. Ich genieße die schönen Momente - aber bitte nicht auf Zuruf.
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Ausgeglichen wäre schön. Momente zum Genießen mit und ohne Kinder. Ich muss aber ehrlich sagen, wenn die Kinder mal für sich beschäftigt sind, ohne Zank und Lärm (was eher selten vorkommt), dann nutze ich die Zeit und erledige schnell was im Haushalt oder so.
Ruhe ist dann abends auf dem Sofa. Aber ich genieße auch ihre Gegenwart, wenn sie um mich herum spielen, sie dabei zu beobachten. Zu viel wird es mir wirklich nur, wenn sie es nicht ohne zu übermäßig lauten Krach hinbekommen und da beide sehr wild und mit viel Bewegungsdrang sind, ist es hier leider oft wild. Wird Zeit, dass der sportliche Ausgleich wieder möglich wird, denn mit Spazieren gehen alleine bekommen wir ihren Bedarf leider nicht gedeckt. Nun ja 🙂
Wobei ich es jetzt bei der Nachbarin wieder sehe. Sie hat ein kleines Baby und es ist in den letzten zwei Monaten so schnell gewachsen. Das macht mir schon bewusst, wie wenig wir von dieser Babyphase immer wieder haben. Die anderen Phasen werden ja immer länger, aber diese ist irgendwie doch erschreckend kurz... da sollte man schon schauen, dass man so viel davon in sich aufsaugt, wie es geht!
Hach, Ruhe auf dem Sofa: Davon sind wir mit Püppiline weit entfernt.
Sie ist wie ihr Bruder: Sie schläft einfach nicht.
Weder mittags, noch abends, dafür aber nachts ab 22 Uhr verlässlich...
Vielleicht ist das deshalb aktuell meine Sicht.
Genießen fällt auch dann besonders leicht, wenn man sich in einer ruhigen Situation befindet und ausgeschlafen ist.
Ich bin auch wieder für Sport!
Ja, an anderen sieht man es immer besonders, daher haben mich auch die Reaktionen zu Püppilines Geburtstag überrascht: "Was, schon drei?"
Ja, schon drei! Verrückt!
Was für ein schöner Artikel! Und ich bin ganz Deiner Meinung, dass dieses aufgezwungene „Du musst es genießen“ Druck erzeugt - bei mir jedenfalls und vor allem im Moment. Auch mit nur einem Kind empfinde ich die aktuelle Lage als extrem anstrengend: HomeOffice mit einem Vorschulkind, dem es schwer fällt alleine zu spielen, fast den ganzen Tag Input fordert und der sich so auf die vielen Dinge im letzten halben Jahr in der Kita gefreut hatte, die nun alle ausfallen - die geplanten Ausflüge, die Kita-Übernachtung, das Sommerfest mit der Verabschiedung der zukünftigen Schulkinder. Und ich kann leider nicht genießen, wenn alles nur anstrengend ist. Aktuell hoffe ich noch, das Berlin die Vorschulkinder doch früher zurück in die Kita lässt, aber auch dann wird sicherlich vieles nicht so sein, wie dies Kinder es gewöhnt wären.
Grüße aus dem nördlichen Berlin Lara
Hi Lara,
ja genau das!
An die Ausflüge etc. habe ich noch nicht mal gedacht! :-/
In unserer alten Kinder gab es diese Aktionen ebenfalls, vor allem die Kita-Übernachtung und das Sommerfest war immer der Hit.
Ich drücke uns allen die Daumen, dass wenigstens die Vorschüler nochmal hinkönnen.
Den Abschied finde ich wichtig!
Liebe Grüße
Sarah