Was Martin, zweifacher Papa von Schulkindern über die Schule denkt:
Mein letzter Artikel für Sarahs Seite ist über ein Jahr her. Damals ging es um meinen hoffnungsvollen beruflichen Neustart als Lehrer im Quereinstieg. Tja, was soll ich sagen? Der Traum währte gerade mal zwölf Wochen. Nach einem fiesen Arschtritt durch meinen Arbeitgeber from Hell und einer daraus resultierenden gesundheitlichen Zwangspause bin ich nun wieder in meinem alten Metier als Programmierer unterwegs.
Da ich aber Kinder habe, lässt mich das Thema Schule nicht los. Inspiriert durch Sarahs Artikel zu dem Thema (Schulnoten machen Druck), dachte ich mir, ich könnte auch mal meine Meinung dazu aufschreiben.
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Ich war selbst Schüler und auch kurz Lehrer. Und ich bin Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Als solcher mache ich mir natürlich Gedanken, wie ich meine Kinder am besten unterstützen kann. Soll ich sie antreiben, auf gute Noten pochen und schlechte Noten sanktionieren? Soll ich die Kinder völlig frei laufen lassen? Oder soll ich, wie es in einigen Haushalten üblich zu sein scheint, die Schule schlecht reden? Letzteres sicher nicht.
Natürlich wünsche ich mir, dass meine Kinder möglichst viel aus der Schule mitnehmen. Ich wünsche mir, dass sie gute Noten schreiben, denn das gibt ihnen ganz formal die Möglichkeit, den Beruf zu ergreifen, den sie möchten. Ansonsten halte ich nicht viel von Schulnoten, sie sind mir zu subjektiv und zeigen oft nicht das fachliche Können des Kindes, sondern wie gut es den Ansprüchen des Lehrers gerecht geworden ist, wie gut es auswendig lernen kann, oder schlicht, wie sympathisch es dem Lehrer ist.
Und letztlich sind 99% der Schulnoten für die spätere berufliche Laufbahn völlig irrelevant, denn niemand schaut sich dein Zeugnis aus der dritten Klasse an, wenn du dich um einen Job bewirbst.
Das Abschlusszeugnis ist wichtig, denn damit bewirbt man sich um Studien- und Ausbildungsplätze. Nach der beruflichen Ausbildung sind Schulnoten nach meiner Erfahrung nicht mehr von Belang, in den vielen Bewerbungsgesprächen, die ich in meinem Leben geführt habe, hat niemand bis zum Abizeugnis geblättert.
Ich sehe die Noten meiner Kinder weniger als Nachweis ihres Könnens, sondern eher als Indikator für Probleme. Es kommen vermehrt schlechte Noten? Dann rede ich mit meinen Kindern. Woran liegt es, wie kann ich helfen? Manchmal ist es ein Lehrer, mit dem sie nicht klar kommen, manchmal ist das Thema so langweilig, dass es schwierig ist, konzentriert zu bleiben. Und manchmal haben sie den Stoff auch einfach nicht verstanden. Gut, OK, Faulheit spielt auch mal eine Rolle. Aber die meisten dieser Probleme lassen sich lösen. Meine Kinder wissen, dass sie mit sämtlichen fachlichen Fragen zu mir kommen können und wir alles in Ruhe, mit viel Geduld und Humor (gaaanz wichtig) klären.
Wenn meine Kinder schlechte Noten bekommen, weil ihnen die Fertigkeiten fehlen, dann üben wir (z. B. das Einmaleins). Wenn motorisches (Sport) oder künstlerisches Talent (Kunst, Musik) gefordert sind, ist es mir EGAL, welche Noten meine Kinder bekommen, eine Benotung in diesen Gebieten kann in meinen Augen nie fair erfolgen, weil sie nicht die individuellen Fähigkeiten des Kindes berücksichtigt, sondern alle Kinder an einem mehr oder weniger willkürlich gewählten Maßstab misst. Solange die Noten nicht so schlecht sind, dass die Versetzung ein Problem wird, ist alles gut. Natürlich freue ich mich trotzdem über gute Noten.
Einzig bei Fächern, in denen es auf Intelligenz ankommt (Mathe, Physik, Chemie, Deutsch, Informatik), da erwarte ich von meinen Kindern schon, dass sie sich Mühe geben. Die beiden sind nämlich ziemlich schlau, das merke ich immer wieder bei den Gesprächen, die wir am Abendbrottisch führen.
Mittlerweile muss ich des Öfteren die Wikipedia bemühen, um alle Fragen beantworten zu können. Papa, welcher Stoff entsteht, wenn ich Zucker verbrenne? Wie ist das mit dem Atomgewicht? Wo bekomme ich Uran her? Ist es erlaubt ein Raketentriebwerk selbst zu bauen? Chemie steht gerade hoch im Kurs hier.
Schlechte Noten in den "Intelligenzfächern" sind bei meinen Kindern oft (aber nicht immer) ein Anzeichen von Faulheit. Ist ja auch erst mal OK, wir Erwachsenen haben ja ebenso unsere liebe Mühe, den inneren Schweinehund zu besiegen. Da versuche ich dann zu motivieren, muss aber gestehen, hier kann ich schon mal laut werden, denn das sind verschenkte Gelegenheiten für eine gute Note. Welche Noten ich für wichtig halte und welche nicht, das erkläre ich meinen Kindern und begründe es auch. Klar ärgern sie sich über schlechte Noten, aber sie wissen, dass sie (meist) nicht auch noch Stress mit mir bekommen.
Während ich die Benotung also eher locker sehe, erwarte ich von meinen Kindern ganz konkret, dass sie sich in der Schule benehmen. Wir sind keine asozialen Einzelgänger sondern Mitglieder einer Gesellschaft und da sollte man sich den Regeln der Gesellschaft wenigstens soweit anpassen, dass ein halbwegs harmonisches Miteinander möglich wird.
Dazu gehört beispielsweise die schöne Regel, dass man die Klappe hält, wenn andere reden. Als Lehrer war ich immer wieder erstaunt, wie vielen Kindern so ein Verhalten völlig unbekannt zu sein schien. Zyniker, der ich bin, möchte ich behaupten: kein Wunder, wenn die lieben Kleinen im Elternhaus sofort sämtliche Aufmerksamkeit bekommen, wenn sie auch nur den Mund aufmachen. Und letztlich leben wir in einer Gesellschaft, in der derjenige gehört wird, der am lautesten schreit, völlig unbeschadet seiner Kompetenz. Warum erwarten wir von unseren Kindern etwas anderes?
Ich erwarte jedoch von meinen Kindern, dass sie den Lehrern mit einem gewissen Mindestmaß an Respekt entgegentreten. Im Unterricht wird nicht gequatscht, es wird zugehört, egal wie langweilig das Thema ist. Aufgaben, die der Lehrer erteilt, werden erledigt, auch wenn sich der Sinn dahinter nicht erschließt, oder man anderer Meinung ist. Das ist eine sehr gute Übung für das spätere Arbeitsleben.
Ich sehe mich auch in der Pflicht, meine Kinder vor allzu großer Willkür seitens der Lehrer zu verteidigen. Das war leider schon des Öfteren nötig. Im Grunde habe ich ja Mitleid mit den Lehrern. Sie stehen zwischen Schülern, Eltern, der Schulleitung und dem Schulamt. Im Zweifel bekommen sie von überall Stress, sind für alles verantwortlich, haben aber kaum eine Möglichkeit, sich durchzusetzen.
Wie auch, wenn heute alles einklagbar ist? Tatsächlich war der erste Rat, den man mir als Lehrer gegeben hat, mir eine gute Rechtschutzversicherung anzuschaffen. Dazu kommen überbordende Bürokratie, ständig wechselnde Vorgaben und der allgemeine Wandel der Pädagogik (Stichwort: Digitale Schule).
Die meisten Lehrer, die ich getroffen habe, hatten denn auch vor dem System resigniert und haben grundsätzlich nur mit Druck und einer latenten Drohkulisse gearbeitet, um die Schüler im Zaum zu halten. Verdenken kann ich es ihnen nicht. Wo das allerdings zu weit geht, muss dann schon mal ein Gespräch geführt werden. Ich versuche solche Gespräche immer freundlich und lösungsorientiert anzugehen. Das scheint ungewohnt zu sein und hat daher meist Erfolg.
Zu guter Letzt sehe ich meine Aufgabe als Vater darin, meine Kinder für Themen zu begeistern, wo es die Schule nicht schafft, oder wo sie aktiv dagegen arbeitet. Ich habe lange gebraucht, um nach meiner Schulzeit meine künstlerische Ader wiederzufinden. Als Kind habe ich gern gezeichnet, aber Kunst und Musik waren für mich ein Graus, denn ich konnte nicht singen und was ich gemalt habe, war offenbar nie das, was die Lehrer sehen wollten.
Anderen erging es noch schlimmer. Wie sollen Kinder Freude am Lesen bekommen, wenn sie mit Faust, Woyzeck oder den Machwerken Kafkas malträtiert werden? Wie sollen Kinder lernen, dass Sport wichtig ist und Spaß machen kann, wenn sie beim Turnen am Reck oder beim 1000m-Lauf öffentlich versagen, weil sie es nicht schaffen, einem Standard zu entsprechen, der vor langer Zeit aufgestellt wurde, um Kanonenfutternachschub herzustellen?
Schule ist ein langsames, bürokratisches Ungetüm.
Also biete ich Alternativen an. Rowling statt Goethe. Eine große Geocaching-Runde statt Dauerlauf. Löten statt tuschen. Kochen statt Bio pauken. Civilization spielen statt Geschichte lernen. Kinder sind so leicht zu begeistern, man muss nur den richtigen Anreiz finden. Ich möchte nicht, dass meine Kinder mal sagen, sie mögen etwas nicht, weil ihnen die Schule die Lust daran genommen hat. Das Leben hat viel zu bieten und es macht Spaß neues auszuprobieren. Und wir Eltern sind das beste Vorbild. Das ist also auch ein Aufruf an euch alle: Zeigt euren Kindern selbst, wie bunt das Leben ist und dass es Spaß macht, zu lernen und neue Dinge zu entdecken. Die Schule, dieses langsame, bürokratische Ungetüm, kann das nicht leisten.
Früher habe ich einiges von dem eben Beschriebenen anders gesehen. Ich habe selbst auch mit viel Druck versucht, meine Kinder zu guten Noten zu bewegen. Ich habe aber eingesehen, dass das nicht funktioniert. Damit produziert man nervliche Wracks, die nur noch mehr Widerstand leisten und irgendwann völlig dicht machen.
Jetzt versuche ich, meinen Kindern zu helfen, dem Druck, den sie schon aus der Schule bekommen, stand zu halten. Und ich glaube, es hilft.
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